Posted by Regie will Quote on Feb 12, 2016 in ALLES, BERLINALE 2016, NEWS |
Pro Quote Regie auf der Berlinale 2016:
Die Q-Frage: Quote versus Qualität oder Qualität durch Quote?
Ein ereignisreiches Jahr liegt hinter Pro Quote Regie. Unsere Initiative hat viel bewegt: Die Filmbranche ist aufgewacht, denn Zahlen lügen nicht. Alle sind sich einig, dass sich an den miserablen Beschäftigungszahlen von Frauen im Regieberuf etwas ändern muss – die Frage ist: Wie?
Die ARD und die Degeto haben den ersten Schritt getan und eine 20%ige Regisseurinnenquote für einige Sendeplätze eingeführt. Auch in der Filmförderung bewegt sich etwas: Gremien sollen paritätisch besetzt werden, ein Gleichstellungsparagraph für das Filmfördergesetz wurde in Aussicht gestellt und Projekte unter der Regie von Frauen werden zunehmend gefördert.
Aber – und das ist kein Witz – jetzt geht die Angst um, dass die Qualität des deutschen Films durch eine Regiequote leiden könnte! Deshalb stellen wir die Q-Frage: Wir wollen zeigen, dass unsere Forderungen nach Gleichberechtigung und Mitgestaltung zu mehr Diversität und Vielfalt beitragen und so für höhere Qualität im deutschen Film sorgen werden.
Die Q-Botschaften
- Nur die halbe Quelle!
Wer die Hälfte der Talente ausschließt, bekommt auch nur die halbe Innovation. Mehr Qualität setzt Gleichstellung voraus. Genderoffensive heißt Qualitätsoffensive.
Es gibt das Vorurteil, die Qualität könnte unter einer Quote leiden. Dabei ist es genau umgekehrt. Qualität folgt aus Geschlechtergerechtigkeit:
Wenn die Hälfte derer, die Geschichten erzählen können und somit die Hälfte der Talente ausgeschlossen werden, existiert auch nur die Hälfte der Ideen, Stimmen, Perspektiven und Filme. Von Vielfalt profitieren alle: Macher und Betrachter. Vielfalt bereichert unsere Gesellschaft.
Der Vielfalt gehört die Zukunft, denn Vielfalt bedeutet Qualität. Und das einzige Mittel, der Vielfalt zum Durchbruch zu verhelfen, ist die Quote.
- Ziemlich quer:
Frauen und Qualität? Erstmal prüfen!
Ein unverhältnismäßig hoher Männeranteil wurde niemals mit einer Diskussion über Qualität verbunden. Jetzt fragt sich die ARD allen Ernstes, ob ein Anteil von 20% Regisseurinnen mit ihrem Qualitätsanspruch zu vereinbaren sei.
Auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke, ob im ARD Produzentenbericht ein Gendermonitoring vorgesehen ist, verweist die ARD auf die Selbstverpflichtung:
„Geprüft werden soll, ob es gelingen kann, ab dem 01.08.2015 in den nächsten drei Jahren die Regieauswahl nach Qualitätskriterien mit einem selbst vorgegebenen Frauenanteil in der Regie von 20% zu vereinbaren.“
(Zitat ARD)
Anlässlich der Einführung der 20%igen Selbstverpflichtung schreibt die Degeto an die Regisseurinnen, die hinter Pro Quote Regie stehen:
„Wir halten es für möglich, eine Regieauswahl nach Qualitätskriterien mit dem Anspruch einer maßvollen Steigerung des prozentualen Anteils von Regisseurinnen zu vereinbaren….. Anschließend wird ausgewertet, ob diese Selbstverpflichtung zu Beschränkungen bei der Auswahl nach Qualitätskriterien führt.“
(Zitat Degeto)
- Die Qual mit der (Aus)wahl:
Wer pauschal die Qualifizierung von Regisseurinnen in Frage stellt, muss sich die Frage nach der Qualität der Auswahlkriterien gefallen lassen!
Den Auswahlprozess leiten Stereotype. Weil die Kriterien fehlen, heißt „Qualität sichern“ in der Regievergabepraxis meist nur: ich beauftrage den- oder diejenige, dem oder der ich es am meisten zutraue und den oder die ich schon immer beauftragt habe. Denn Qualitätsentscheidungen sind nachweislich Konfidenzentscheidungen. Wem traue ich was zu?
Es verwundert nicht, wenn Frauen bei der Regievergabe fast oder gar nicht vorkommen. Der Frauenanteil in der Fernsehregie liegt bei 11%, und in Projekte von Regisseurinnen fließen nur 10% der Filmförderung. Dabei sind fast die Hälfte der Regieabsolventen*innen der Filmhochschulen Frauen.
Und es verwundert auch nicht, wenn die Sender sagen, es gebe ja nicht genügend qualifizierte Regisseurinnen. Ihnen wird das Regieführen schlicht und ergreifend weniger zugetraut als ihren männlichen Kollegen. Produzenten*innen und Sender sind in der Folge gar nicht daran interessiert, ihre Netzwerke in Bezug auf Regisseurinnen zu erweitern. Soviel zur Qualität des Auswahlprozesses.
- Die Quittung:
Was bei Männern als Garantie für Qualität gilt, wird bei Frauen oft zum Stigma.
Verhalten, das bei einem Mann „sympathisch“ und „kompetent“ erscheint, wird bei einer Frau schnell als „arrogant“ oder „dominant“ abgetan. Auch der Begriff Genie ist in unserer Kultur männlich konnotiert. Einer Studie der Filmuniversität Babelsberg zufolge arbeiten fünf Jahre nach Abschluss ihres Regiediploms 100% der Männer in ihrem Beruf, aber nur 25% der Frauen. Während Männer angaben, ihre Aufträge über Empfehlungen erhalten zu haben, ist dies bei Frauen generell nicht der Fall. Studien aus anderen Branchen zeigen: Frauen werden negativer beurteilt als Männer, Lebensläufe anders bewertet, wenn der Name einer Frau oder eines Mannes darübersteht.
- Der Status Quo:
Die Schieflage der Frauenbilder im Film wird die Regie-Quote gerade rücken.
Stereotype Rollenbilder spielen nicht nur hinter der Kamera eine Rolle.
Wie eine Studie des amerikanischen Geena Davis Instituts zeigt, sind Frauen im Film meist sexy, mager, aber keine Mathematikerinnen. Die Filmwelt hinkt der Realität hinterher. Auch die gläserne Decke in Filmen und Serien ist noch dicker als im wirklichen Leben. Nur 20% der Rollen mit Beruf sind weiblich. Als Managerinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen oder Juristinnen kommen sie seltener vor als im realen Leben. Dies ist ein weltweites Phänomen. In amerikanischen Blockbustern fanden sich im Jahr 2013 gerade mal 15% an weiblichen Hauptrollen.
Der Bechdel-Test, eine Messlatte für die Präsenz von Frauen im Film, stellt drei einfache Fragen: Gibt es mehr als zwei Frauen im Film, die auch einen Namen haben? Sprechen sie miteinander? Wenn ja, sprechen sie über etwas anderes als einen Mann?
In Deutschland bestehen nur knapp 14% der Filme diesen Test.
Die Quote schafft mehr Heldinnen! Denn auch Kinderfilme zeigen nur 24% Mädchen in Hauptrollen und damit kaum weibliche Vorbilder für die heranwachsende Generation.
- Das Vitamin Q:
Wer Filme macht, hat die Macht über die Bilder. Die Quote schafft Perspektivenvielfalt.
Die einzige Möglichkeit, die permanente Reproduktion stereotyper Rollenbilder zu durchbrechen, ist die Vielfalt. Sie sorgt dafür, dass die Diversität unserer Gesellschaft abgebildet wird. Je diverser die Seite der Macherinnen und Macher, umso mehr Perspektiven spiegeln sich auch in den Filmen. Die Quote schafft also eine Perspektive für Perspektivenvielfalt.
- Das System ist so bequem:
Lieber das Bewährte klonen, als auf künstlerische Innovation setzen.
Die Quote gegen die künstlerische Freiheit auszuspielen ist ein Vorwand, um von dem eigentlichen Problem abzulenken. In einem geschlossenen System kann künstlerische Freiheit sich nicht entfalten. Letztlich geht es um das Aussieben von Inhalten. Welcher Geschichte wird Relevanz im Spiel- und Dokumentarfilm bescheinigt? Man setzt auf die immer gleichen Konzepte, die immer gleich umgesetzt werden. Dieses System muss sich öffnen.
- Der überfälliger Quantensprung:
Die Quote gleicht die MIssverhältnisse aus.
Frauen wurden noch nie bevorzugt und werden es auch mit einer Quote nicht. Sie würden nur erstmals in gleicher Weise wie Männer in die engere Auswahl eingeschlossen. Tatsache ist, dass in dem jetzigen System Männer einen Vorteil haben. Die Quote sorgt für einen fairen Wettbewerb.
- Quid pro quo:
Das Fernsehen selbst ist eine Quotenveranstaltung. Es vergöttert die Einschaltquote.
Geht es um die Frauenquote, wird der Ruf nach Qualität laut. Geht es um die Einschaltquote, spielt Qualität keine Rolle. Sie wird durch sie ersetzt. Sehr viele sehen das anders und haben diese Programme längst nicht mehr auf dem Schirm.
- Die Quintessenz:
Die 340 Regisseurinnen, die hinter Pro Quote Regie stehen, können unmöglich an kollektivem Qualitätsmangel leiden!
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