Posted by Regie will Quote on Feb 16, 2016 in ALLES, PRESSESPIEGEL |
FAZIT | Beitrag vom 12.02.2016
Von Katja Weber
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In der Berlinale-Jury sitzen vier Frauen und drei Männer. Damit ist diese Jury weit vor der deutschen Filmindustrie, wo lediglich 42 Prozent der Absolventen von Regiestudiengängen weiblich sind. Im aktiven Berufsleben dann beißen sich gar noch weniger Regisseurinnen durch.
Hat Qualität ein Geschlecht? Und: Wie lässt sich Qualität überhaupt messen? Im Sport ist das einfach – aber beim Film sei das ein ziemlich dehnbarer Begriff, meint Imogen Kimmel von Pro Quote Regie:
„Wenn Leute einen Blockbuster haben, dann sagt man: ‚Das ist ein qualitätsvoller Film.‘ Und auf der anderen Seite sagt man, wenn man einen Arthousefilm durchbringen will: ‚Der hat Qualität.'“
Vielleicht ist es ein Erfolg, dass die Frauen von Pro Quote in diesem Jahr überhaupt schon über Qualität reden können. Vergangenes Jahr präsentierten sie dürres, aber erstaunliches Zahlenmaterial über den Berufsstand der Regisseure und Regisseurinnen:
„42 Prozent der Abgänger sind Frauen, im Fernsehen arbeiten elf Prozent und im Kino arbeiten 20 Prozent Frauen.“
Großes Erschrecken in der Branche. Wer abends in Fernsehen eine deutsche Produktion sieht, sieht in 89 von 100 Fällen den Film eines Mannes: „Niemand hat es gedacht, dass so wenige Frauen zum Zug kommen.“
Und die Branche hat reagiert: Im Filmfördergesetz soll die Gleichstellung verankert, Jurys und Panels sollen paritätisch besetzt werden. Die Degeto, die Filme für das Erste produziert, hat eine Quote von 20 Prozent etabliert. Allerdings nur auf Bewährung, wie Imogen Kimmel sagt:
„Nach drei Jahren will man schauen, ob die Qualität der Fernsehfilme gleich geblieben ist. Anscheinend traut man Frauen nicht dieselbe Qualität zu, die man Männern zutraut.“
Die schwedische Filmindustrie hat diese Diskussionen bereits hinter sich. Anna Serner vom Schwedischen Filminstitut, die ihre deutschen Kolleginnen von Pro Quote beraten hat, spricht von Deutschland in punkto Gleichberechtigung wie von einem Entwicklungsland:
„Ihr habt keine Tagesbetreuung für die Kinder und Euer Sozialversicherungssystem baut immer noch darauf, dass ein Elternteil daheim ist und das andere arbeitet – unsere Gesellschaft ist da wirklich anders.“
Die Entwicklung in Schweden kam nicht von alleine
Die Zahlen geben ihr Recht. In Schweden waren Frauen – auch schon bevor Serner der Branche eine Quote angedroht hat – in der Spielfilm-Regie besser etabliert als ihre deutsche Kolleginnen:
„Zwischen 2006 bis 2012 haben wir mit 26 Prozent Frauen losgelegt und zwischen 2013 und 2015 waren es 44 Prozent.“
Der Qualität scheint es keinen Abbruch getan zu haben. Zumindest auf der Berlinale sind schwedische Produktionen bestens vertreten:
„Auf der Berlinale haben wir in diesem Jahr mehr Filme als je zuvor, wir sind in allen Sektionen vertreten. 60 Prozent davon kommen von Frauen.“
Aber auch in Schweden hat sich diese Entwicklung nicht von selbst eingestellt. Auch dort wurden zuerst die Zahlen erhoben – und dann finanzieller Druck auf die Produktionsfirmen ausgeübt:
„Das schwedische Filminstitut ist derart wichtig für die Filmindustrie. Es ist einfach so, daß die Branche unser Geld ganz dringend braucht – sie mußte sich einfach ändern, um dranzukommen.“
Nach der womöglich sinkenden Qualität gefragt, antwortet sie mit einem Verweis auf das Boston Symphony Orchestra. Auf der Suche nach neuen Musikern ließ die Jury die Kandidatinnen und Kandidaten anonym, hinter Vorhängen, vorspielen:
„Und die Jury hat mehr Männer ausgewählt. Aber dann haben sie noch einen dicken Teppich auf den Boden gelegt – und plötzlich fielen die Entscheidungen 50:50 aus. Denn sie konnten nicht mehr an den Schritten erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Nicht das Geschlecht trägt eine bestimme Qualität. Sondern eine bestimmte Person.“
Und wieso sollte das in anderen Künsten anders sein? Diese Frage richtet Pro Quote Regie an die eigene Branche. Dass das wichtig ist, zeigt eine Studie des Bundesverbands Regie, die morgen auf der Berlinale vorgestellt werden soll: Sie heißt „Frauenanteil in der Regie stagniert – Nachwuchs hat es schwer“.
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