Von Mareike
Der Mann das Genie, die Frau die Muse
Katinka Feistl und Imogen Kimmel, Initiatorinnen von Pro Quote Regie, fordern Gleichberechtigung in der Film- und Fernsehbranche und eine fünfzig Prozent-Quote für Regisseurinnen.
Ausschnitt:
Erst jetzt im Austausch mit anderen haben Sie also gemerkt, dass es ein strukturelles Problem gibt. Welche Erfahrungen haben Sie selbst als Regisseurinnen gemacht?
KF: Bei mir ist es der Klassiker, wie ich es auch bei vielen anderen jungen Frauen erlebe: Ich hatte das Glück, dass mein erster Film ziemlich erfolgreich war und mir sehr viele Türen geöffnet hat. An diesem Zeitpunkt denkt man überhaupt nicht darüber nach, dass es irgendwann schwierig werden könnte.
Ich sehe das bei vielen jungen Regisseurinnen, die einen erfolgreichen Debütfilm machen, die sehr viel Lob und Preise bekommen, aber auf einen Folgeauftrag vergeblich warten müssen. Bei mir ging es dann beim Fernsehen weiter, weil sehr viele RedakteurInnen den Film, den ich gemacht habe, lieben.
Erst allmählich wurde mir klar, dass ich immer nur wieder dasselbe machen soll. Dass ich als Regisseurin wachse, so wie das viele männliche Kollegen machen, die auch mit einem erfolgreichen Debütfilm beginnen, dass ich höhere Budgets und prestigeträchtigere Projekte bekomme, wie z.B. Dreiteiler oder historische Stoffe, das gibt es nicht.
IK: Wenn wir Frauen wirklich versuchen umzusetzen, was unsere Vision ist, dann werden wir häufig als schwierig bezeichnet oder aber als zu künstlerisch. Bei einem Mann ist das gewollt. Der Genie-Begriff gehört dem Mann, die Frau ist die Muse.
Gibt es dafür ein Beispiel?
KF: Das beste Beispiel ist, dass ich für zwei Folgen einer neuen Fernsehserie beauftragt wurde. Ein männlicher Kollege hatte auch zwei Folgen gemacht. Der überzog wahnsinnig und die Produzenten haben ziemlich geflucht. Ich dagegen hatte alles sehr gut vorbereitet und organisiert und musste fast nie in die Überstunden gehen und alle haben sich gefreut. Alle Folgen wurden gesendet, meine hatten die beste Quote, aber wer wurde wieder gebucht, um die daraus resultierenden 90-Minüter zu machen? Mein männlicher Kollege. Da habe ich mich schon gewundert. Diese Erfahrung ist ziemlich programmatisch für die Berichte von Regisseurinnen. Die sind gut im Geschäft, aber sie erleben alle, dass sie nicht wahrgenommen werden und nicht gewürdigt wird, was sie leisten.
Schade, das es immer noch so ist. Genau das ist auch meine Erfahrung gewesen: Frauen dürfen nicht „schwierig“ sein, das wird ihnen anders als Männern nicht verziehen. Und wenn sie „ordentlich“ arbeiten, d.h. es schaffen, das enge Korsett der Drehtage nicht zu überziehen, dann wird das nicht einmal honoriert. Konkretes Beispiel: Wenn etwas zu retten ist, schlechtes Drehbuch aber anstehender Drehtermin, dann bekommen Frauen ihre Chance. So schrieb und inszenierte ich 1995 den ersten Münster-Krimi mit Wilsberg, geplant als Einzelstück. Da er sowohl quotenmäßig wie in der Kritik überdurchschnittlich gut bewertet wurde, ging er in Serie und läuft bis heute. Nur ich war nie wieder dabei.
Ich denke, genau diese Geschichten müssen wir sammeln und aufschreiben. Jede von uns, der diese „gläserne Decke“ auf den Kopf gefallen ist, kann davon erzählen. Vom Konkreten.
Bei mir nach 5 langen Filmen (3 davon feierten Premiere auf der Berlinale) in einer renommierten Produktionsfirma: „Dein Stoff ist grossartig. Wir optionieren den für xy Jahre. Aber wir stellen Dir einen Co-Regisseur zur Seite. Sonst kriegen wir das nicht finanziert.“ (…)
In welcher Verhandlungsposition man ist, ist nochmal eine ganz andere (soziale!) Frage. Auch zu diskutieren.
Heute gab es einen Rundumschlag gegen ProQuoteRegie im Tagesspiegel von Heike-Melba Fendel, will ich jetzt gar nicht weiter kommentieren, aber dieser Erfahrungshorizont ist der „Content“. Und spätestens da wird es filigran.
Es gibt ja auch sehr viele ausgebildete Regisseure, die niemals eine Chance bekommen. Meine Erfahrung als Absolventin der dffb lehrte mich, dass jeder Student, der im Rahmen einer Koproduktion zwischen dffb mit einem Sender etwas halbwegs Zeigbares zuwege gebracht hat, meist sofortigen Zutritt hatte zum Flaggschiff „TATORT“. Und bis heute hat. Keine einzige Regisseurin wurde mitgenommen. Keine.
Lasst uns das aufschreiben!