STATUS QUOTE
Die Macht der Bilder gerecht verteilen Gravierende Lohnunterschiede ausgleichen
Bilder prägen unsere Wertvorstellungen, unsere Ideen und Ideale. In ihnen spiegelt sich die Kultur einer Gesellschaft. Wer die Bilder macht, hat die Macht, transportiert Werte und beeinflusst unsere Zukunft. Frauen und Männer nehmen sich in ihren Geschlechterrollen unterschiedlich wahr und nur ein faires Geschlechterverhältnis vor und hinter der Kamera bildet die Gesellschaft in ihrer Vielfalt ab. Die Perspektiven von Frauen müssen vorkommen!
Medien hinken der Realität hinterher
Die Welt in Filmen hinkt der Realität hinterher: 40% aller Frauen arbeiten, in fiktionalen Rollen sind es nur 20%, davon nur 1% als Managerinnen, Politikerinnen oder Wissenschaftlerinnen. Die Studie „Gender Bias Without Borders“, in der die zehn erfolgreichsten Filme unterschiedlicher Länder untersucht werden, ergab: Im Bereich der sexualisierten Darstellung von Frauen liegt Deutschland an der Spitze! Die Hauptverantwortliche Dr. Stacy I. Smith: „Die Ergebnisse zeigen, dass wir weltweit mehr haben als nur ein Filmproblem…Wir haben ein Menschheitsproblem.“
Nur 15% der Kinofilme entstehen unter weibliche Regie. Regisseurinnen bekommen max. 10% der Fördergelder, obwohl Frauen nahezu die Hälfte der Hochschulabschlüsse im Fach Regie ausmachen. Die Problematik beginnt lange vor der Einreichung bei der Filmförderung. Projekte von Frauen werden schon im Entwicklungsstadium übersehen oder in den Low Budget Bereich verwiesen. An der Qualität der Stoffe liegt es nicht; eine Studie der Universität Rostock von 2015 zeigt, dass Filme von Frauen im Verhältnis häufiger und länger auf Festivals laufen und deutlich mehr Preise gewinnen. Und das obwohl sie mit weniger Budget produziert wurden!
Nadelöhr Fernsehen
Das Fernsehen spielt in der deutschen Filmlandschaft eine entscheidende Rolle. Pro Quote Regie spricht auch vom „Nadelöhr Fernsehen“. Kaum ein Kino lm entsteht ohne Sender, die meisten Filmförfderanstalten verlangen bei ihren Einreichungen eine Senderbeteiligung. Und so sind die inkonsistenten Filmemacherinnen-Biografien meist auf die mangelnde Beschäftigung bei den Sendern zurückzuführen. Hier werden nicht nur die „bread-and-butter-jobs“ verteilt, es werden auch Profile entwickelt und Netzwerke aufgebaut. Nur 12% der Sendeminuten in der Primetime von 18:00 bis 23:00 Uhr werden beim ZDF von Regisseurinnen inszeniert. Bei der ARD sind es 15 %. Der Deutsche Kulturrat hat in seiner Stellungnahme zur Studie „Frauen in Kultur und Medien“ angemerkt, dass besonders bei der Beschäftigung durch öffentlich-rechtliche Anstalten, die einen kulturellen Auftrag haben, Gendergerechtigkeit umzusetzen ist. Es gibt bereits im Rundfunkstaatsvertrag und in fast allen Sendevereinbarungen einen allgemeinen Gleichstellungsparagraphen und innerhalb der Sender arbeiten Gleichstellungsbeauftragte. Die Mehrzahl der kreativen Filmschaffenden ist aber freischaffend und wird von Produktionsfirmen, die im Auftrag der Sendeanstalten arbeiten, nur mit kurzen Zeitverträgen angestellt. Von den Sender- Verantwortlichen heißt es, eine Regulierung an dieser Stelle sei ein Eingriff in privatwirtschaftliche Entscheidungen. Hier greifen weder die Forderungen des Deutschen Kulturrates noch die bisherigen gesetzlichen Maßnahmen.
Pro Quote Regie e.V. www.proquote-regie.de
„Gerechte Beteiligung an den gesellschaftlichen Ressourcen ist eine Grundforderung der Demokratie!“ ( Jutta Brückner)
In Deutschland werden Film- und Fernsehproduktionen zu 95% aus öffentlichen Geldern finanziert. Es ist die politische Pflicht aller Institutionen aktiv auf eine Verbesserung der Situation hinzuarbeiten und Schranken und Hindernisse abzubauen.
Schon vor 45 Jahren ist der Verband der Filmarbeiterinnen, unter ihnen die Regisseurinnen Margarethe von Trotta, Monika Treut und Helke Sander, mit den gleichen Forderungen wie Pro Quote Regie heute an die Öffentlichkeit gegangen. Damals wurden die Filmemacherinnen damit vertröstet, dass die Zeit, die Dinge von allein regeln werde. Die Lösung hieß: Selbstverpflichtung. Auch der Verband FidAr (Frauen in die Aufsichtsräte) begann vor 10 Jahren mit der Forderung nach einer Selbstverpflichtung. Im letzten Jahr wurde schließlich als einzig erfolgversprechende Maßnahme das erste Gesetz für eine Quote durch den Bundestag verabschiedet.
Fazit nach 45 Jahren erfolgloser Selbstverpflichtung: Die Quote ist das einzig wirksame Mittel, um eine längst überfällige Entwicklung einzuleiten. Sie muss von anderen Maßnahmen, wie z.B. der paritätischen Besetzung von Gremien, einem kontinuierlichem Gender Monitoring und Change- und Genderseminaren begleitet werden.
DIE QUOTE, DAS EINZIG WIRSKAME MITTEL:
„GEGEN EINE ALTMODISCHE IRRELEVANTE FILMINDUSTRIE.“
Im Filmförderungsgesetz (FFG) sollte festgeschrieben werden, dass mindestens 40% der Fördergelder an Projekte mit Regisseurinnen vergeben werden müssen. Dadurch werden Anreize für Produktionsfirmen und Sender geschaffen, die weiblichen Regie-Talente in den Wettbewerb zu bringen.
Ein Blick nach Schweden lohnt sich: Hier hat eine Zielvorgabe bewirkt, dass der Anteil von staatlich geförderten Filmen von Regisseurinnen innerhalb von 10 Jahren von 19% auf 50% gestiegen ist. Anna Serner, die Leiterin des Schwedischen Filminstitutes betont, es gehe bei der Zielvorgabe allein darum, die besten Männer und die besten Frauen zu fördern. „Uns war bewusst, wenn wir die weiblichen Talente weiterhin ausschließen, entscheiden wir uns für eine altmodische, irrelevante Filmindustrie“, so Hjalmar Palmgren, Direktor der Filmförderung heute.
Die Medienwissenschaftlerin Professor Maya Götz sagt, dass die Beschäftigung einer Frau in der Regie weitere Frauen in kreativen Führungspositionen wie z.B. Kamera oder Ausstattung nach sich zieht. Dies belegt auch eine aktuelle Auswertung der Grimmepreise der letzten Jahre auf dem Blog „Gedanken einer Schauspielerin“: „Filme, bei denen eine Frau Regie führte, zeigen insgesamt die höchsten Werte (bei der Beschäftigung von Frauen) bei Kamera, Ton, Schnitt und Drehbuch (61,5%!).“
WAS ES SONST NOCH BRAUCHT:
Gendermonitoring per Gesetz: Zahlen kontinuierlich erheben
Einzelne erfolgreiche Filme verzerren das Bild. Nur die kontinuierlich Erhebung von Zahlen kann eine Entwicklung oder Stagnation aufzeigen: Das viel zitierte „Kinojahr der Frauen“ mit Filmen wie „Toni Erdmann“, „Vor der Morgenröte“ oder „Wild“ täuscht darüber hinweg, was der aktuelle Diversitätsbericht des Bundesverbands Regie zeigt: Die Zahl der Kinofilme von Frauen ist rückläufig. Im Jahr 2015 hat sie mit 15% im Erfassungszeitraum von 6 Jahren einen traurigen Tiefstand erreicht. Nach Analyse der DFFF Förderzahlen erreichen nur etwa 10% der Fördergelder Projekte von Frauen, zudem sind sie meist im Low-Budget Bereich angesiedelt.
Pro Quote Regie e.V. www.proquote-regie.de
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: In den Jahresberichten soll in Zukunft über die Anteile von Frauen und Männern bei der Auftragsvergabe im Bereich Regie, Drehbuch, Produktion und Kamera berichtet werden. Und es soll über die Gremienbesetzung und Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit informiert werden.
Filmförderung: In den Berichten aller Filmförderer soll über die Gewichtung ihrer Förderung von Frauen und Männern Auskunft gegeben, und der Faktor Fördersumme ausgewiesen werden.
Filmhochschulen: In den Jahresberichten der Filmhochschulen und Universitäten soll über die Anteile der weiblichen und männlichen Studierenden sowie der Lehrenden informiert werden. Und es soll über die Maßnahmen mit dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit informiert werden.
Paritätische Besetzung der Gremien
Aufsichts- und Beratungsgremien sollen geschlechtergerecht und zeitgemäß besetzt werden:
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Die Forderung nach einer paritätischen Besetzung des Rundfunkrates, sowie aller Gremien muss im Rundfunkstaatsvertrag schärfer formuliert werden. Die Besetzung der Rundfunkräte muss ein Abbild der gesellschaftlich relevanten Verbände und Gruppierungen sein.
Jurys und Auswahlgremien, die durch öffentliche Mittel finanziert werden, sollen paritätisch besetzt werden:
Filmförderung: Ziel ist eine echte Parität in allen Jurys und Gremien der Filmförderungsanstalt (FFA) und der Länderförderer. In der gerade verabschiedeten Novelle des FFG fängt sie schleichend bei 30% an.
Filmhochschulen: Die Aufnahmegremien an den Hochschulen und Universitäten sollen paritätisch besetzt werden.
Change Seminare: Stereotype verstehen
Verbindliche Change- und Genderseminare für Jurymitglieder und Senderangestellte in Führungspositionen wirken stereotypen Wahrnehmungskriterien bei der Beurteilung von Projekten und Personen entgegen.
Filmerbe von Regisseurinnen sichtbar machen und erhalten
Es bedarf dringender Maßnahmen, um das Filmerbe von Frauen sichtbar zu machen und zu erhalten.
Unter den 35 Filmen des Filmkanons, der von der Bundeszentrale für Politische Bildung herausgegeben wird und ein Querschnitt der Filmgeschichte darstellen soll, be ndet sich kein Film einer Regisseurin.
2012 erhielten zu 100% Filme von Regisseuren FFA-Förderungen zur Digitalisierung des deutschen Filmerbes. 2013 und 2014 betrug der Männeranteil 91,2%.
In der aktuellen Liste der knapp 700 lmhistorisch wertwollen und förderungswürdigen Filme des Kinematheksverbund sieht es ähnlich aus: 95,5% Regisseure versus 4,5% Regisseurinnen.
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Lohnlücke schließen, heißt die sozialen Standards verbessern
Die Studie „Frauen in Kultur und Medien“ hat gezeigt, dass der Gender Pay Gap in der Kulturbranche 24% beträgt, im Bereich Regie und Dramaturgie sogar 36%. Eine aktuelle Erhebung der Filmschaffen- den e.V. über „Die Situation von Film und Fernsehschaffenden im Jahr 2015“, stellt bis zu 75% Lohnunterschiede in einzelnen Gewerken fest.
In einer Branche, in der künstlerische Reputation und Erfahrung wichtige Beurteilungskriterien sind, bedeutet mangelnde Beschäftigung auch schlechtere Bezahlung. Schon jetzt sind Frauen in der Branche in unverhältnismäßig höherem Maße von Altersarmut bedroht als deren männliche Kollegen. Eine Frauenquote in den kreativen Führungs- und Schlüsselpositionen wie Regie, Kamera, Drehbuch und Produktion fördert Lohngerechtigkeit und faire Arbeitsbedingungen.
Filmförderinstitutionen und öffentlich-rechtliche Sender stehen hier in der Verantwortung. Sie sollten dazu angehalten sein, ein Augenmerk auf die sozialen Standards, bei den von ihnen in Auftrag gegebenen Produktionen, zu haben. Dazu gehört, neben der Einhaltung von Tariflöhnen, auch die Lohngerechtigkeit und die ausreichende Beschäftigung von Frauen in Führungspositionen. Firmen, die diese Standards nicht einhalten, könnten für eine bestimmte Zeit von Aufträgen, sowie dem Erhalt von öfffentlichen Fördergeldern ausgeschlossen werden.
Familienfreundliches Drehen geht – und hat Zukunft!
Die Grundbedingungen für eine größere Familienfreundlichkeit wären gegeben, dennoch hat die Filmbranche Nachholbedarf. Die oft gedankenlos eingeforderte Präsenzkultur ist gerade bei den flexiblen Arbeitszeiten der Filmproduktion vermeidbar. Die Arbeitszeiten, besonders in der Vorbereitungszeit, sind sehr gut an Schul- und Kindergartenzeiten anpassbar.
In vielen Bereichen reicht ein Umdenken. Wenn es beispielweise darum geht, die durch Familienzeiten entstandenen Lücken im Lebenslauf richtig zu beurteilen. Bisher werden sie wenig hinterfragt und meist mit Talent- und Auftragsmangel gleichgesetzt. Frauen wird der Wiedereinstieg in den Beruf unnötig schwer gemacht
Ausreichende Kinderbetreuung muss Teil der sozialen Standards werden. Inzwischen gibt es an Filmhochschulen, wie z.B. der HFF München, eine Kinderkrippe, aber was passiert, wenn die jungen Eltern ins Berufsleben einsteigen? Noch gehören Kinderbetreuungsangebote am Set zum Ausnahmefall. Hier können besondere Förderangebote und finanzielle Aufstockungen durch die Sender helfen.
Damit soziale Standards eingehalten werden, muss mehr Geld in die einzelnen Produktionen fließen. Weil trotz der eingeführten Standards die durchschnittlichen Drehtage nicht aufgestockt wurden, gehen schon jetzt die zurecht begrenzten Dreharbeitszeiten auf die Qualität der Produktionen.
Die in den letzten Jahren vor allem bei den Auftragsproduktionen der Sender betriebene Sparpolitik muss ein Ende haben. Die Dreh- und damit die Arbeitsbedingungen dürfen sich nicht noch weiter verschlechtern.
Pro Quote Regie e.V. www.proquote-regie.de
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