Posted by on Jul. 9, 2015 in DISKURS |

I. Vorschläge für TV Anstalten:

Hinweis: Die Fernsehsender haben eine zentrale Schlüsselposition, da sie nicht nur die Vergabe der Regiepositionen für Fernsehfilme steuern. Auch für die Einreichung eines Kinoprojektes bei einer Filmförderung muss in der Regel vorab ein Sender, der sich am Projekt beteiligt, gefunden worden sein.

Wir schlagen vor:

 

1. Jährliches Monitoring (extern) : wie viele Filme wurden von Frauen, wie viele von Männern inszeniert?
 

2. Festlegung einer gendergerechten Zielvorgabe bei der Auftragsvergabe.
Für die Zielvorgabe sollte ein Zeitraum anberaumt werden. Wenn die Zielvorgabe nicht erreicht wird, sollten zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden.
Das heißt auch, dass der Pool von Regisseurinnen, aus dem geschöpft wird, erweitert werden muss. Die Zahl erfahrener Regisseurinnen ist groß, aber viele sind über extrem lange Zeiträume arbeitslos. Vorschlag für die Zielvorgabe:
30% innerhalb von 3 Jahren, 42% innerhalb von 5 Jahren und 50% innerhalb von 10 Jahren.
 
3. Thema Serie: es gibt extrem viele Serien, die lange Zeit nur von Männern inszeniert wurden. Warum das nicht mal umdrehen? Auf jeden Fall auch in diesem Bereich verstärkt Regisseurinnen beschäftigen (auch hier: Monitoring und Zielvorgaben).
 
4. Analyse der internen Strukturen – Mut zum Kulturwandel.
Die Wirtschaft ist der Kultur in vielen Bereichen inzwischen voraus. So haben sich z.B. die großen Konzerne Allianz, BASF, Bayer AG, Bosch, Daimler, DB, Infinion und Microsoft geschlossen für eine Studie der Fraunhofer Gesellschaft zur Verfügung gestellt, in der die Unternehmensstrukturen dieser Unternehmen unter Genderaspekten durchleuchtet und Änderungsvorschläge erarbeitet wurden.
Nur wenn man, am besten von einem Aussenstehenden, die eigene Struktur analysieren lässt und sich der Firmenkultur“/Senderkultur bewusst wird, kann man herausfinden, wo die Hebel für einen Wandel liegen. Die Studie ist abzurufen unter: http://www.unternehmenskulturen-veraendern.de/
Dem Vorbild Schwedens folgend ist die Bewusstmachung von Stereotypen ein zusätzliches wichtiges Tool, um eine Veränderung in Gang zu setzen. Dort besuchten Produzenten, Redakteure und Filmförderer Seminare der Genderforscherin Prof. Anna Wahl an der KTH Stockholm (Change Program), was entschieden zu einem Bewusstseinswandel führte.
 
5. Wir schlagen vor, dem schwedischen Modell zu folgen und Weiterbildungsseminare im Sinne eines Change Programs in den Sendern für alle Entscheiderinnen und Entscheider zu etablieren.
 
6. Bis zur Einführung der Zielvorgabe sollten von den Fernsehanstalten Signale an Produzenten ausgesandt werden, dass Frauen in der Regie willkommen sind. Freie Produzenten befinden sich in einem wirtschaftlichen Überlebenskampf. Sie schlagen den Sendern ‚Pakete‘ bestehend aus Stoffen, AutorInnen, RegisseurInnen vor, von denen sie glauben, dass sie ihre Chancen für eine Auftragsvergabe erhöhen. Noch immer denken viele Produzenten, dass eine weibliche Regie eher projekthemmend denn förderlich bei den Sendern wirkt. Deutliche Signale der TV Redakteure, dass die Zusammenarbeit mit Regisseurinnen willkommen ist, sind ab sofort notwendig.
 
7. Vorschlagslisten. Auf den Vorschlagslisten der Produzenten an den Sender müssen in gleicher Zahl männliche und weibliche Regisseure genannt werden.
 
8. Besetzung der Gremien in den Sendern. Bei der Besetzung von Rundfunkrat und Verwaltungsrat soll innerhalb einer gesetzten Zeitvorgabe eine paritätische Besetzung gewährleistet werden. Hier müssen Frauenräte und Gruppen, die sich mit Gendergerechtigkeit befassen, eine Berücksichtigung finden. Ebenso ist für uns als Regisseurinnen nicht ersichtlich, wieso der Journalistenverband e.V. einen festen Sitz hat, aber eine Vertreterin einer der Verbände der kreativen Urheber, zum Beispiel des BVR oder des VDDs nicht. Hier allgemein eine Vertreterin aus dem Bereich Film und Medien zu nennen, ist zu wenig.
 
9. Rundfunkstaatsvertrag. Wir schlagen vor einen Gleichstellungsparagraphen zu installieren, der die Gleichstellung nicht nur innerhalb der Sender regelt, sondern die gendergerechte Verteilung der öffentlich-rechtlichen Gelder gewährleistet – gleich, ob es sich hierbei um interne oder externe Produktionen handelt. Fast das gesamte fiktionale Programm wird von Auftragsproduzenten realisiert. Hier fühlen sich die Sender nicht zuständig, obwohl viele dieser Auftragsproduzenten direkte und indirekte Sendertöchter sind. Diese Gesetzeslücke gilt es zu schließen, indem der Gleichstellungsparagraph sich auf die gendergerechte Aufteilung der Gelder bezieht und damit auch auf die Auftragsproduktionen. Mit einem einfachen Zusatz, wo es um die Programmerstellung geht, wäre schon viel erreicht. Hier schlagen wir den Zusatz vor: „Der WDR achtet bei der Erstellung der Angebote auf eine gendergerechte Verteilung der Gelder.“

II. Vorschläge für Politik/Filmförderungen

 
 
1. Rundfunkstaatsverträge: Bei den anstehenden Änderungen der Rundfunkstaatsverträge zwischen den Ländern und der jeweiligen Fernsehanstalt soll nach Vorbild der Schweden ein Passus wie folgt eingefügt werden:

„Es wird darauf geachtet die Geschlechtergerechtigkeit im Film zu erhöhen. Das Ziel besteht darin, bis zum Ende der Gesetzesperiode die Fördersumme für Drehbuch- und Produktionsförderung, gezählt an der Anzahl der geförderten Projekte, gleichmäßig zwischen Frauen und Männern in den Positionen Autor/Autorin, Produzent/ Produzentin, Regisseur/Regisseurin zu verteilen. Diese Zielvorgabe wird auf alle Filmkategorien angewendet, Spielfilm, Kinderfilm, Jugendfilm, Dokumentarfilm und Kurzfilm.“

2. Filmförderungsgesetz. Auch bei der Novellierung des Filmförderungsgesetzes auf Bundesebene soll o.g. Passus aufgenommen werden.

3. Zielvorgaben/Stufenmodell. Die Politik soll Zielvorgaben machen, indem sie die Filmförderungen anweist, dass z.B. ab in zwei Jahren 30 Prozent der Gelder an Frauen in der Regie/Drehbuch/Produktion vergeben sein müssen. Sollte dem nicht so sein, werden die Gelder nicht vergeben. Ausnahmen sollten möglich sein, z.B. wenn nachweislich nicht genug Anträge von Frauen eingegangen sind.

4. paritätische Besetzung der Gremien. Aufforderung an die Verbände, Frauen zu entsenden. Auch hier eine Vorgabe machen: in drei Jahren müssen alle Sitze paritätisch vergeben sein. Wenn nicht, bleibt der Stuhl leer.

Abschließend möchten wir alle Institutionen auffordern sich für eine Qualitätsdebatte zu öffnen. „Qualität statt Quote“ ist ein Schlagwort, das uns oft entgegengehalten wird. Aber Qualität ist ein dehnbarer und auch immer subjektiver Begriff. Er sollte regelmäßig überprüft werden, damit er nicht missbraucht wird, um vorgegebene Strukturen zu erhalten.